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3.
Wirt-Parasitinteraktionen
top
Spezielle Aspekte im Überblick:
3.1 Invasionsstrategien von Plasmodien
3.2 Evasionsstrategien von Plasmodien
3.3 Cross-talk zwischen Plasmodien und dem Wirt
3.4 Wirt baut langsam eine klinische Immunität auf
3.1 Invasionsstrategien von Plasmodien
Der
Lebenszyklus von P. falciparum ist hoch komplex mit einer Vielzahl verschiedener
Lebensstadien, die entweder extra- oder intrazelluläre Lokalisation
haben. Extrazelluläre Stadien (Ookinet, Sporozoit und Merozoit) haben
die „Lizenz zur Invasion“! Grundlage zum Befall von geeigneten
Wirtszellen ist deren spezifische Erkennung. Diese beruht auf Rezeptor-Ligandsystemen,
bei welchen Oberflächenmoleküle des Parasiten mit Molekülen
auf der Wirtszellmembran interagieren. Nach der Adhärenz des Parasiten
an die Wirtszelle erfolgt deren Invasion. Um die Invasion zu gewährleisten,
haben die Plasmodien (oder genereller die Apicomplexa) in zellbiologische
Innovationen investiert. Ein sogenanntes Apikalorgan mit speziellen Organellen
(Mikronemen und Rhoptrien) wurde im Laufe der Evolution entwickelt.
Interessant ist, dass die Invasionsstrategien der verschiedenen Lebensstadien
unterschiedlich sind:
- Ookineten
dringen – ohne die Bildung einer parasitophoren Vakuole –
in Mitteldarmzellen ein und können in Nachbarzellen weiterwandern.
Die befallenen Wirtszellen sterben ab, was aber kein Problem für
die Mücke darstellt, weil der Zellverbund bestehen bleibt und neue
Zellen nachgeliefert werden. Die Basalmembran stellt jedoch für
Ookineten eine unüberwindliche Barriere dar: Die Oozyste scheint
sich nach der Interaktion mit extrazellulärer Matrix zu bilden.
- Sporozoiten
haben im Gegensatz zu den Ookineten die Fähigkeit, die Basalmembranen
zu überwinden. Die Invasionsstrategie der Sporozoiten ist ebenfalls
unterschiedlich: Bei der Invasion der Speicheldrüsenzellen wird
vorübergehend eine Vakuole gebildet, an welche sich Mitochondrien
anlagern. Bevor der Parasit in die Sekrethöhle eindringt, ist er
frei im Zytoplasma.
- Merozoiten
haben sich spezialisiert, rote Blutzellen zu befallen. Nach einer ersten
Kontaktnahme reorientiert sich der Parasit und richtet seinen Apikalorgan-Pol
gegen die Wirtszellmembran. Darauf erfolgt eine enge Adhärenz zwischen
Parasit und Wirtszelle. Beim Invaginationsprozess, der durch aktive
Bewegung des Merozoiten unterstützt wird, werden Substanzen aus
den Rhoptrien und Mikronemen freigesetzt. Die Membran der sich bildenden
parasitophoren Vakuole ist wahrscheinlich ein Produkt dieser Sekrete
und der Wirtszellmembran.
3.2
Evasionsstrategien von Plasmodien
Das
Hauptziel des Malaria Erregers ist sein Überleben im Wirt zur Sicherung
seiner Fortpflanzung und Übertragung. Plasmodien scheinen wahre Meister
zu sein, eine Eliminierung durch das Immunsystem des Wirtes zu verhindern,
und haben eine ganze Palette an Mechanismen entwickelt. Die Sporozoiten
tragen ein Oberflächenprotein (Circumsporozoiten-Protein, CSP), welches
sich hauptsächlich aus Repeat-Einheiten zusammensetzt. Diese Repeats
werden als Superantigene angesehen, die dafür verantwortlich gemacht
werden, dass kein ausreichendes immunologisches Gedächtnis entsteht.
Zudem weist das CSP auch einen hohen Grad an Polymorphismus auf, der zum
einen jeweils eine neue Immunantwort auslöst, oder aber zur klassischen
'antigenic sin' führen kann, bei der das Immunsystem ständig
verwandte, aber ineffiziente Antikörper produziert.
Ihren
nächsten Zielort, die Leberzelle, haben Plasmodien ebenfalls geschickt
gewählt, da Leberzellen nur eine geringe Dichte an HLA Molekülen
besitzen und immunologisch eher träge sind. Auch hier scheint Polymorphismus
eine Rolle zu spielen, da offensichtlich die Immunantwort stark HLA-restringiert
ist, d.h. nur bestimmte Epitope können von bestimmten HLA Molekülen
erkannt werden.
Für
ihre Reise durch die Blutbahn steht den Plasmodien noch eine weitere Palette
an Evasionstrategien zur Verfügung: Antigendiversität, Antigenvariation,
Induktion von blockierenden Antikörpern u.a.
- Antigendiversität
der polymorphen Oberflächen-Proteinen (u.a. MSP1, MSP2), die ebenfalls
aus Repeat-Einheiten bestehen, wird mitverantwortlich gemacht, dass
sich eine schützende Immunantwort erst nach vielen Infektionen
langsam aufbaut. Auch hier scheint selbst nach langjähriger Exposition
keine ausreichendes Gedächtnis ausgelöst zu werden.
- Antigenvariation
ist eine weitere Facette des Evasionsrepertoires der Blutstadien von
Plasmodien. Für ihre Entwicklung (Schizogonie) im Erythrozyten
wird die Wirtszelle vom Parasiten „neu eingerichtet“! Dabei
wird auch die Wirtszellmembran verändert, um den trophischen Ansprüchen
der Plasmodien gerecht zu werden. Ein spezielles Parasitenantigen, das
P. falciparum Erythrozyten-Membranprotein (PfEMP1) führt zum Verkleben
von infizierten Erythrozyten mit dem Endothel der Blutkapillaren (Zytoadhärenz).
Diese „Sequestration“ verhindert den Durchfluss und damit
die Elimination infizierter Erythrozyten durch die Milz. Jedoch macht
sich der Parasit nun für das Immunsystem bemerkbar: es wird eine
Immunantwort gegen PfEMP1 ausgelöst! Der Parasit jedoch entgeht
der Elimination durch Umschalten auf ein anderes Gen, welches für
ein antigenisch und vermutlich funktionell unterschiedliches Protein
kodiert. P. falciparum besitzt etwa 50 verschiedene Gene per Genom für
PfEMP1 (var-Gene). So entgeht er nicht nur der Eliminierung, sondern
hat auch eine breite und diverse Palette an Molekülen zur Verfügung,
sich an viele Endothel-Rezeptoren (ICAM-1, CD36, CSA, u.a.) binden zu
können. Diese Bindung an Endothelzellen wird inzwischen als der
Hauptvirulenzfaktor bei P. falciparum-Malaria angesehen, da diese Interaktion
weitere, starke immunologische und krankmachende Reaktionen auszulösen
scheint (siehe auch 3.3).
- Die
Bildung von blockierenden Antikörpern ist eine weitere Strategie
der Evasion. Gewisse Antikörper gegen bestimmte Epitope auf einem
Antigen blockieren die Wirkung von schützenden Antikörpern,
welche z.B. die Invasion des Parasiten in Wirtszellen verhindern. Dies
ist am eindeutigsten für das Merozoiten-Oberflächen-Protein
1(MSP1) gezeigt worden: Seren von Malaria infizierten Probanden inhibieren
die Wirkung von schützenden monoklonalen Antikörpern in vitro!
3.3 Cross-Talk zwischen Plasmodien und Wirt
Mehr
und mehr zeigt es sich, dass Wirt-Parasitbeziehungen auf sehr komplexen
gegenseitigen Beeinflussungen beruhen und die einfache Formel „Angriff
des Parasiten – Abwehr durch den Wirt“ nicht stimmt. Parasiten
sind in der Lage in das Signalsystem des Wirtes einzugreifen und dieses
zu beeinflussen. Dabei können sich Rezeptoren des Wirtes mit Signalmolekülen
der Parasiten und auch umgekehrt Parasitenrezeptoren durch Signalmoleküle
des Wirtes „miteinander sprechen“. Vor allem bei Viren und
Bakterien sind solche „Gespräche“ belegt. Aber auch bei
Plasmodien sind erste „Gesprächsnotizen“ aufgenommen.
Dabei gilt es vorsichtig zu sein, weil dieses „Abhören“
in vitro stattgefunden hat!
Die unter 3.2 beschriebene Zytoadhärenz von infizierten Erythrozyten
beschränkt sich nicht nur auf Endothelzellen, sondern wurde auch
mit Monozyten und Dendritischen Zellen (DZ) beobachtet. Diese Interaktion
scheint weitreichende Folgen für die Entwicklung unreifer DZ zu haben:
ihre Reifung wird beeinträchtigt und damit ihre Fähigkeit T-Lymphozyten
zu stimulieren. Dieser cross-talk könnte also zu der nachgewiesenen
Immundepression bei der Malaria beitragen. Nehmen Makrophagen infizierte
Erythrozyten auf, so werden deren Funktionen stark beeinträchtigt.
Dies mag u.a. auf das Malaria-Pigment (Hämozoin) zurückzuführen
sein, welches die Generation von Superoxid-Radikalen stört.
3.4
Wirt baut nur langsam eine Semi-Immunität auf
In
Endemiegebieten baut sich bei angemessener Exposition über Jahre
ein Immunschutz gegen die Malaria auf. Dabei bleibt der Mensch aber infiziert.
Es kommt nicht zu einer "sterilisierenden", sondern zu einer
"klinischen Immunität" oder Semi-Immunität. Die Effektormechanismen,
die dabei eine Rolle spielen, kennen wir trotz intensiver Forschungsarbeit
ebenso wenig wie die auslösenden Antigene. Auch sind wir den Plasmodien
noch nicht auf die Schliche gekommen, wie sie das Immunsystem erfolgreich
austricksen (vgl. unter 3.2).
|
|
5.
Epidemiologie
top
5.1
Statistiken
-
Gut zwei Milliarden Menschen leben in Gebieten, wo die Gefahr besteht,
dass sie durch Mückenstiche mit Malariaerregern infiziert werden.
-
Jedes Jahr werden zwischen 200 und 500 Millionen neue Krankheitsfälle
gemeldet und 1-2 Millionen Menschen, vor allem Kinder, sterben jährlich
an Malaria.
-
Damit gehen jedes Jahr gut 37 Millionen gesunde Lebensjahre (DALYs;
disability adjusted life years) verloren.
-
90% der Malariabürde entfallen auf Kinder in Afrika südlich
der Sahara, d.h. die meisten Todes- und Krankheitsfälle sind in
den hochendemischen Gebieten Afrikas zu verzeichnen.
-
Malaria ist in vielen Ländern für gut 30-50% der Gesamtlast
im Gesundheitssystem verantwortlich.
-
Jährlich werden rund 12’000 Malariafälle in Europa (davon
300 in der Schweiz) und 1’000 in den USA durch Reisende importiert.
5.2
Determinanten und Verlauf
- Die
Endemielage hängt von der Exposition gegenüber infektiösen
Stichen ab; gemessen durch die EIR („entomological inoculation
rate“ = Anzahl infektiöser Stiche pro Person und Jahr).
-
Die Grundreproduktionsrate der Malaria (Ro) ist mit 1000-3000 rund 100-200
mal höher als die einer viralen oder bakteriellen Infektion!
- In
hochendemischen Gebieten liegt die EIR zwischen 50-400, was dazu führt,
dass ein Kind bereits als Säugling hohen Stechraten ausgesetzt
ist. Überlebt das Kind diese ersten Episoden durch rechtzeitige
Behandlung, so entwickelt sich rasch eine Semi-Immunität, d.h.
Kinder und Erwachsene der Endemiegebiete sind infiziert, aber werden
nicht oder kaum mehr krank. Die Malariainfektion verläuft bei guter
Semi-Immunität asymptomatisch. Die hohe Sterberate in hochendemischen
Gebieten ist somit bei den Säuglingen und Kleinkindern (<5 Jahre)
zu verzeichnen.
- In
niederendemischen Gebieten kann eine Semi-Immunität nicht aufgebaut
werden, und somit sind alle Altersklassen gleichermassen dem Risiko
zu erkranken ausgesetzt.
-
Epidemisch bezeichnet man die Malaria in nicht- oder niederendemischen
Gebieten, wenn Fälle gehäuft und weit über das bekannte
Mass auftreten, sei es als Folge von ungewöhnlich grossen Mückenpopulationen
(z.B. nach Flutkatastrophen) oder neu eingewanderte, den Parasiten mit
tragende Menschen (Flüchtlinge). In Hochendemiegebieten können
Epidemien durch eingewanderte, nicht infizierte Menschen (Flüchtlinge;
z.B. Ruander in tansanischen Flüchtlingslagern 1994) hervorgerufen
werden.
- Grundsätzlich
wird zwischen „stabiler“ und „instabiler“ Malaria
unterschieden, die auf Grund der häufig gestellten Fragen charakterisiert
werden können:
|
"Stabile",
endemische Malaria |
"instabile"
epidemische Malaria |
Wer
ist betroffen? |
Säuglinge
und Kinder < 5 Jahre; ältere Kinder und Erwachsene haben
durch die kontinuierliche Exposition eine Semi-Immunität erworben |
Alle
Altersgruppen; vor allem auch von schweren Verlaufsformen, keine
Entwicklung der Semi-Immunität |
Wann
tritt Malaria auf? |
Oft
ganzjährig oder saisonal (Regenzeit) |
Oft
nicht vorhanden oder mit sehr, sehr kleiner Prävalenz, jahrelang
keine Fälle zu verzeichnen |
Was
wird getan? |
Da
Malaria häufig asymptomatisch verläuft (Semi-Immunität),
werden nur symptomatische Fälle behandelt. Ziel ist es die
Morbidität zu verhindern. |
Jeder
Nachweis von Parasiten wird als pathologisch betrachtet und behandelt.
Ziel ist die Infektionsbehandlung und damit verhindern der Letalität
|
Kann
die Übertragung unterbrochen werden? |
Grundsätzlich
nein – eine Kombination von Kontrollstrategien kann die Übertragung
senken |
Ja,
bei genauer Kenntnis der Determinanten der Übertragung und
gezieltem Einsatz von Massnahmen |
Orte stabiler und instabiler Malaria in Afrika
Quelle: www.mara.org.za
Die
WHO unterscheidet heute die folgenden acht epidemiologischen Zonen für
Malaria. Sie sind stets das Resultat der Interaktionen der folgenden Faktoren:
- Ökologie
& Klima
- Demographie
der Bevölkerung
- Sozio-ökonomische
und kulturelle Charakteristika der Bevölkerungen
- Art
der vorherrschenden Überträger und der Parasiten und auch
deren Resistenzlage gegenüber Insektiziden resp. Medikamenten
- Struktur
& Funktion des Gesundheitswesens / Versorgung
- Struktur
und Art der vorhandenen Entwicklungsprojekte
Die
acht epidemiologischen Zonen sind:
Zone |
Spezifische
Merkmale |
1.
Malaria in den Savannen Afrikas |
- 80-90%
der Malariafälle der Welt
- stabile
Übertragung und >50% der Menschen infiziert
|
2.
Randzonenmalaria |
- ökologische
Übergangsgebiete an Wüstenrändern und Übergängen
zu Hochland
|
3.
Waldzonenmalaria |
- Gebieten
mit Anophelen, die Wälder bewohnen, v.a. in Südostasien
- Exponiert
sind trad. Ethnien, die Reis anbauen (zb. Karen) oder Waldarbeiter
(Holzfäller, Edelsteinschürfer, Drogenhändler)
|
4.
Malaria in trad. Landwirtschaftszonen ausserhalb Afrikas |
- v.a.
Ebenen und Flusstäler Zentral- und Südchinas
- geringe
aber kontinuierliche Übertragung
|
5. Malaria im Rahmen von Entwicklungsprogrammen |
- Umweltveränderungen
durch den Menschen wie Bewässerungssysteme, Abholzen, Plantagen
|
6. Malaria in Städten |
- Übertragung
in Städten durch neue Brutplätze im urbanen oder periurbanen
Raum, schlechte sanitäre Verhältnisse/Lebensbedingungen
|
7.
Malaria der Küsten- und Sumpfgebiete |
- Vektoren
die in Brackwasser brüten
- Epidemien
nach Flutkatastrophen
|
8. Kriegszonenmalaria |
- Zusammenbruch
der Gesundheitseinrichtungen und der Kontrollmassnahmen, Flüchtlinge,
Umsiedelungen
|
5.3 Molekulare Epidemiologie
Molekulare
Epidemiologie bei Malaria beruht auf genetischen Unterschieden zwischen
den Wirtsindividuen einerseits und zwischen einzelnen P. falciparum-Klonen
andererseits, die beide die Morbidität und Mortalität bei einer
Infektion beeinflussen (Virulenzfaktoren). Im Zentrum der Molekularen
Epidemiologie steht also der Polymorphismus in Marker-, Virulenz- oder
Suszeptibilitätsgenen.
Die
Methoden der molekularen Epidemiologie haben es erlaubt, den Unterschied
zwischen Semi-Immunität und Prämunität zu erfassen:
- Semi-Immunität
widerspiegelt die erworbene Immunität auf Grund von kontinuierlicher
Exposition und überlebter Malariaepisoden. Sie wird auch als klinische
Immunität bezeichnet.
-
Prämunität charakterisiert die Immunität gegen
Re- und Superinfektion, der durch im Menschen überlebenden Genotypen.
Die
in der Molekularen Epidemiologie eingesetzten Techniken müssen möglichst
robust und kostengünstig sein, da viele Studien in grösseren
Bevölkerungsgruppen durchgeführt werden. Es gibt eine Reihe
von "Hochdurchsatz"-tauglichen Genotypisierungstechniken für
die Identifizierung genetischer Unterschiede, die neben dem "Gold"
Referenzstandard (Sequenzierung) gebräuchlich sind: z.B. PCR-Grössenpolymorphismus,
MLST (multilocus sequence typing), PCR-RFLP (PCR-restriction fragment
length polymorphism), RAPD (random amplified polymorphic DNA), DNA Microarrays.
Jede dieser Methoden hat eine Nachweisgrenze und limitierte Anwendungsmöglichkeiten.
Ein Hauptanwendungsgebiet der Molekularen Epidemiologie besteht im "Monitoring"
von Interventionen gegen Malaria. Genotypisierung ermöglicht eine
genauere Beurteilung der Wirkung von Interventionen, wie z. B. eines Impfstoffs
oder eines neuen Medikaments. Weiterhin erlauben Genotypisierungsdaten
das Studium der Parasiten-Dynamik, Parasiten-Phylogenie und Populationsgenetik.
Genetischer Polymorphismus hat sich im Laufe der Evolution als eine Überlebensstrategie
herausgestellt. Auf der Flucht vor den Effektoren des Immunsystems werden
neue Varianten von P. falciparum Genen heraus selektioniert ("immune
evasion"). Im Gegenzug dazu hat auch beim Menschen eine Adaptation
an die Malaria stattgefunden, am deutlichsten erkennbar beim Polymorphismus
in den Molekülen der roten Blutzelle. Durch Malaria selektionierte
Wirtsfaktoren können hohe Allelfrequenzen erreichen obwohl sie zum
Teil ein Handicap für den Träger darstellen (Bsp. Sichelzellanämie).
6.
Kontrollstrategien
top
Die
Bedeutung der Malaria hat für viele Menschen der Endemiegebiete zugenommen.
Die “Waffen” der Bekämpfung sind stumpf geworden. Die
Gründe der weiterhin hohen Endemielage und des Wiederaufflackerns
von Malaria in malariafreien Gebieten sind vielschichtig. Die wichtigsten
Punkte sind:
- der
virtuose Zyklus der Malaria, der im Gegensatz zu Viren und Bakterien
gezeichnet ist durch ungeheure sexuelle und asexuelle Vermehrungsstadien,
Formenwandel und grosse genotypische Variationen sowie die unterschiedliche
Übertragungsdynamik in verschiedenen Endemiegebieten aufgrund der
komplexen Interaktion zwischen Mücke, Mensch und Umweltbedingungen:
Malariaparasiten sind Überlebenskünstler.
-
die rasche wachsende Resistenz der Anopheles-Mücken gegenüber
den gebräuchlichen, wirksamen Insektiziden, insbesondere DDT,
-
die rasche Ausbreitung der Resistenz der Malariaparasiten gegenüber
den angewendeten Medikamenten zur Therapie und Prophylaxe,
-
die Gesundheitssysteme, die in vielen Gebieten die rasche und wirksame
Behandlung der Patienten nicht sichern können, da oft die peripheren
Strukturen des Gesundheitssystems nicht ausgebaut sind oder nicht optimal
funktionieren,
-
das Fehlen eines Impfstoffes, was u.a. wiederum mit der Komplexität
des Malariaparasiten zusammenhängt (s. Abschnitt 1),
-
schliesslich hat in spezifischen Situationen die stark erhöhte
Mobilität von Bevölkerungsgruppen die Malariaproblematik erhöht.
Stichworte sind dazu die krisen- und kriegsbedingten Bewegungen zum
Beispiel in Zentralafrika (Demokratische Republik Kongo, Ruanda) und
die Verstädterung, die die Endemielage verändern oder Menschen
neu dem Malariarisiko aussetzen.
Die
heute wirksamsten Kontrollstrategien sind:
- Malariaepisoden
frühzeitig zu erkennen und zu behandeln,
-
insektizidbehandelte Mückennetze der Bevölkerung zugänglich
zu machen und
-
mit adaptierten Informations- und Kommunikationskampagnen die Aufmerksamkeit
in den betroffenen Bevölkerungsgruppen zu fördern.
Vektorkontrolle
In
den 50er Jahren wurde von der Weltgesundheitsbehörde ein Programm
zur Eradikation der Malaria durch den Einsatz von Massenchemotherapie
(Chloroquin) und Insektenbekämpfung (DDT) lanciert. Resistenzentwicklungen
auf der Parasiten- wie auf der Mückenseite führten zusammen
mit finanziellen Problemen in vielen Gebieten zu einem Misserfolg.
Der Vektorkontrolle, sei es mit Insektiziden gegen adulte Mücken
oder mit Umweltveränderungen (z.B. Entwässerung), biologischen
Massnahmen (z.B. larvenfressende Fische) oder spezifischen Situationen
(z.B. Bewässerungssysteme), kann in spezifischen Gebieten jedoch
auch heute eine Rolle spielen.
Animation
Chloroquinresistenz
Behandlung
von Malariaepisoden
Obwohl
die rasche Diagnose und Behandlung von Malariaepisoden die wichtigsten
Stützen jedes integrierten Bekämpfungsprogramms darstellen,
wurde die Forschung und Entwicklung von neuen Malariamedikamenten in den
letzten 10 Jahren von nahezu allen pharmazeutischen Unternehmen systematisch
abgebaut. Diese schwierige Situation scheint derzeit weitgehend überwunden:
Durch
die Verbindung von privaten und öffentlichen Anstrengungen des MMV-Programm
(Medicines for Malaria-Venture);
http://www.mmv.org/pages/page_main.htm
Vorhandene
Präparate werden in ihrer gezielten Anwendung optimiert. Artemisinin,
das aus der chinesischen Heilpflanze Artemisia annua isoliert wurde, und
dessen Derivate u.a. Artemether, Artesunat und Artether, wurden weiterentwickelt
und werden im asiatischen Raum gerade bei schweren, lebensbedrohenden
sowie bei multiresistenten Malariafällen erfolgreich eingesetzt.
Derzeit laufen breit angelegte, von der WHO überwachte Versuche,
wie diese wichtigen Therapien in Afrika wirksam eingesetzt werden können.
Afrika steht im Brennpunkt, da es nicht nur die grösste Malariabürde
zeigt, sondern da in Afrika die Resistenz gegen das günstige Chloroquin
bei 30-70% liegt; Chloroquin kann in weiten Teilen zur Behandlung nicht
mehr eingesetzt werden. Ausblicke für diese schwierige Situation
in Afrika bietet das Konzept der Kombinationstherapie. Damit die vorhandenen
Medikamente möglichst lange wirksam bleiben, d.h. sich keine entsprechenden
Resistenzen bilden, sollen bekannte, eingeführte Verbindungen mit
Artemisinin-Derivaten kombiniert verwendet werden.
Expositionsprophylaxe
Konkrete
Wirkung zeigen aber sämtliche Programme, die den Einsatz von insektizidbehandelten
Mückennetzen auf Haushaltsebene propagieren. Nachdem grosse, kontrollierte
Feldversuche in Gebieten mit unterschiedlicher Endemielage gezeigt haben,
dass insektizidbehandelte Mückennetze die Morbidität und Mortalität
von Malaria zwischen 20-50% reduzieren können, steht nun eine Interventionsstrategie
zur Verfügung, die die vorhandenen Behandlungsstrategien optimal
ergänzen kann.
Kombination
von Bekämpfungsstrategien
Behandlungsstrategien
und insektizidbehandelte Mückennetze sind derzeit konkrete Ausblicke.
Sie werden jedoch nur nachhaltig ihre Wirksamkeit zeigen, wenn auch die
Gesundheitssysteme, in denen sie angewendet werden, entwickelt werden.
Unter den Gesundheitssystemen verstehen wir das Zusammenwirken sämtlicher
Anbieter im Gesundheitswesen (Regierung, NROs, Privatsektor inkl. der
traditionellen Systeme).
Impfung
Die
Hoffnung der 70er und 80er Jahre, bald über eine Impfung zu verfügen,
wurde bisher leider nicht erfüllt. Ein Impfstoff wäre höchst
willkommen und könnte als weitere wichtige Komponente in einem integrierten
Bekämpfungsprogramm eingesetzt werden. Es ist realistisch, an einen
Impfstoff zu denken, denn:
- Menschen,
die in einem Endemiegebiet zahlreiche Malaria-Attacken überleben,
erwerben eine Semi-Immunität;
-
Die passive Übertragung von Serum semi-immuner Menschen auf nicht-immune
kann nicht-immunen Menschen schützen.
-
Bestrahlte infektiöse Stadien des Malariaparasiten, Sporozoiten,
können im Menschen eine schützende Immunantwort auslösen.
Jahrelange Forschungsarbeiten waren jedoch bisher nicht von grossem
Erfolg gekrönt. Wohl wurden unzählige, potentielle Antigene
charakterisiert und in Tiermodellen als Impfstoffkandidaten geprüft.
Die Hoffnung und künftigen Forschungsanstrengungen liegen derzeit
in zwei bereits klinisch getesten Impfstoffen beim Weiterverfolgen der
im Tiermodell erfolgreichen DNS-Vakzinen. Die Erfahrungen aus den klinischen
Versuchen mit den ersten Malariaimpfstoffen führen uns auch dazu,
die konventionelle Vorstellung der Schutzwirkung eines Impfstoffes (normalerweise
verlangen wir eine Wirksamkeit > 90%) bei einem Parasiten wie Malaria
aufzugeben. Die Berechnungen zeigen, dass selbst ein Impfstoff, der
bloss 50% wirksam ist, bereits eine kostenwirksame Intervention darstellt,
wenn die Impfung als Teil eines integrierten Programms verabreicht wird.
Reisemedizin
Die
wichtigsten prophylaktischen Massnahmen für Tropenreisende bestehen
in einer Malaria-Chemosuppression sowie einem adäquaten Expositionsschutz
(Repellentien, Kleider etc.). Bei der Malariaprophylaxe muss man darauf
achten, dass in verschiedenen Regionen der Erde Resistenzen gegen Medikamente
wie Chloroquin bestehen. Die Resistenzentwicklung gegen Chloroquin begann
bereits 1957. Heute sind resistente Plasmodien in vielen Malariagebieten
ein grosses Problem.
Fazit
Malaria
ist eine der wichtigsten Infektionskrankheiten der Menschheit und die
bedeutendste parasitäre Erkrankung. Sie stellt aufgrund der direkt
und indirekt verursachten Morbidität und Mortalität eine enorm
grosse physische, psychische und damit sozio-ökonomische Last für
die betroffenen Bevölkerungen und Staaten dar. Die Bekämpfung
der Malaria ist zugleich auch nachhaltige Armutsbekämpfung.
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Medikamente
zur Malariatherapie |
Kampagne
für Mückennetze |
Impfversuch
von Prof. Patarroyo |
7.
Kernsätze
top
- Plasmodium
falciparum, der Erreger der tropischen Malaria, wird durch weibliche
Anopheles-Mücken übertragen.
-
Der einzige natürliche Zwischenwirt (!) ist der Mensch.
-
Die Entwicklung des Parasiten im Menschen erfolgt über verschiedene
extra- und intrazelluläre Parasitenstadien und stellt deshalb für
das Immunsystem eine grosse Herausforderung dar.
-
Parasitenpopulationen im Menschen stellen komplexe Gemische verschiedener
Genotypen dar.
-
Verschiedene Organellen des Apikalorgans befähigen den Erreger
zur aktiven Invasion in verschiedene Wirtszellen.
-
Faktoren der Pathogenese sind: Malariatoxine, die Fieber und Entzündungsreaktionen
auslösen, Zytoadhärenz infizierter Erythrozyten an die Blutgefässwände,
was zu Durchblutungsstörungen führen kann, und die parasiteninduzierte
Zerstörung von Erythrozyten mit resultierender Blutarmut (Anämie).
-
Malaria-Infektionen führen nicht zu einer sterilen Immunität.
Bei lang andauernder Exposition wird langsam eine Semi-Immunität
(Schutz vor schwerer Krankheit) aufgebaut.
-
Die Evasionsstrategien des Parasiten vor der Wirtsabwehr sind intrazelluläre
Lokalisation, Sequestrierung (vermeidet „Milzfalle“), Antigendiversität
und -variation, welche das Immunsystem „verwirren“.
-
Malaria ist eine der wichtigsten Infektionskrankheiten der Menschheit
und die bedeutendste parasitäre Erkrankung (1 bis 2 Millionen Todesfällen
pro Jahr).
-
Die heutigen Kontrollstrategien zielen auf eine Reduktion der Morbidität
durch die rasche Behandlung und die Expositionsprophylaxe mit Insektizid-behandelten
Mückennetzen.
8.
Ressourcen
top
Lehrbuch
“Medizinische Mikrobiologie” (10. Auflage), Kayser et al.,
Thieme-Verlag,
Plasmodium (Seiten 544 bis 562)
Lernprogramm "Malaria" auf Englisch 2nd edit. (Topics in International
Health, The Wellcome Trust)
Reviews:
PEpidemiologie00.pdf
Malaria 21.1 Malaria Epidemiology
H.O. Lobel & S.P. Kachur
(Buchkapitel)
PDiagnostik01.pdf
Rapid diagnostic techniques for malaria control
C. Wangsrichanalai, Trends in Parasitology, 17, 307-309 (2001)
PEvolutionApicoplast99.pdf
Origin, targeting, and function of the apicomplexan plastid
D.S. Roos et al., Current Opinion in Microbiology, 2, 426-432 (1999)
PCytoadhaerenz00.pdf
Falciparum Malaria: Sticking up, Standing out and Out-standing
B.M. Cooke et al., Parasitology Today, 16, 416-420 (2000)
PAntigenvarianz01.pdf
Variant proteins on the surface of malaria-infected erythrocytes –
developing vaccines
P.E. Duffy et al., Trends in Parasitology, 17, 354-356 (2001)
PImmunologie00.pdf
The immunology of malaria infection
M. Plebanski & A.V.S. Hill, Current Opinion in Immunology, 12, 437-441
(2000)
PVakzine00.pdf
Malaria Vaccines
R.F. Anders & A. Saul, Parasitology Today, 16, 444-448 (2000)
Web-Informationen (Stand August 2002):
http://www.cdfound.to.it/HTML/pla1.htm
(Bilder im Atlas of Medical Parasitology der Carlo Denegri Foundation)
http://www.wehi.edu.au/MalDB-www/who.html
(Malaria Database; molekulare Infos zu Genom und Proteinen)
http://www.malaria.org/
(Malaria Foundation; Globale Initiativen zur Bekämpfung)
http://www.who.int/tdr/diseases/tryp/default.htm
(Special Programme for Research and Training in Tropical Diseases: Malaria)
Literatur:
Nachschlagewerke:
"Essential Malariology"
3rd ed., eds. H.M. Gilles & D.A. Warrell; Edward Arnold London, 1993
(in STI Bibliothek)
“Malaria: Parasite Biology, Pathogenesis, and Protection”
ed. Irwin W. Sherman
Am. Soc. for Microbiology, Washington DC, 1998 (in STI Bibliothek)
Originalarbeiten:
Marsh K. (1992): Malaria - a neglected disease? Parasitology 104, S. 53-S.
69.
Nchinda T.C. (1998): Malaria: A reemerging disease in Africa. Emerging
Infectious Diseases 4, 398-403.
Miller L.H. et al. (1994): Malaria Pathogenesis. Science 264, 1878-1883.
|