Trypanosoma brucei rhodesiense/gambiense

Klasse: Zoomastigophora
Ordnung: Kinetoplastida
Familie: Trypanosomatidae

Trypanosoma brucei gambiense (Erreger der chronischen Form der afrikanischen Schlafkrankheit, Zentral- und Westafrika)
Trypanosoma brucei rhodesiense (Erreger der akuten Form der afrikanischen Schlafkrankheit, Ostafrika)

1. Parasit, Übertragung und Vorkommen
2. Diagnostik
3. Wirt-Parasitinteraktion
4. Infektion und Krankheit
5. Epidemiologie
6. Kontrollstrategien
7. Kernsätze
8. Ressourcen

1. Parasit, Lebenszyklus und Verbreitung
top

1. 1. Parasit
Die afrikanische Trypanosomose des Menschen ist eine durch Protozoen der Gattung Trypanosoma hervorgerufene Parasitose. Die Parasiten werden durch Stechfliegen der Gattung Glossina (Tsetse-Fliegen) auf den Menschen übertragen.

Die Schlafkrankheit bedroht 60 Millionen Menschen in 36 Ländern Afrikas. Man geht davon aus, dass jährlich etwa 300’000-500’000 Menschen an einer der beiden Formen der Schlafkrankheit erkranken. In einzelnen Gebieten wie dem Südsudan liegt die Prävalenz bei bis zu 25%. Jährlich sterben bis zu 60‘000 Menschen daran (die Zahlen stammen von der WHO).

Die afrikanische Trypanosomose des Menschen kommt in zwei Formen vor, die von den beiden Unterarten von Trypanosoma brucei verursacht werden:

Trypanosoma brucei gambiense ist in Zentral- und Westafrika verbreitet. Der Parasit verursacht eine chronische Form der Krankheit, deren Verlauf jedoch nicht als gutartig bezeichnet werden kann. Eine Person kann unter Umständen monate- und jahrelang infiziert sein, ohne dass Symptome auftreten und die Krankheit ausbricht. Beim Auftreten der Symptome ist die Krankheit bereits in einem fortgeschrittenen Stadium und schwierig zu bekämpfen.

Trypanosoma brucei rhodesiense kommt im östlichen und südöstlichen Afrika vor. Der Parasit verursacht eine akute Erkrankung, die innerhalb weniger Wochen ausbricht. Diese Form der Schlafkrankheit führt schnell zu klinischen Symptomen, was eine schnellere Diagnose ermöglicht.

Blutstadien von Trypanosoma brucei; Kaminsky, STI

Adulte Tsetsefliege (Glossina morsitans)

1.2. Lebenszyklus

Animation Lebenszyklus

Die infizierte Tsetse-Fliege überträgt bei einem Stich bis zu 20’000 metazyklische, trypomastigote Trypanosomen in die Haut des Menschen. In der Nähe der Einstichstelle vermehren sich die Parasiten, was zur Bildung eines Schankers führen kann. Im Anschluss daran gelangen die Trypanosomen über das Lymphsystem in den Blutkreislauf. Dort sind die trypomastigoten Blutformen (Länge: 15 bis 30 µm) zunächst langgestreckt (slender), beweglich und teilungsaktiv. Alle 6 Stunden erfolgt eine Verdoppelung der Population. Innerhalb kurzer Zeit wird so das Blut mit Trypanosomen überschwemmt. Erregerzahlen von 6’000 pro Mikroliter Blut sind keine Seltenheit. Bei Erreichen einer hohen Parasitendichte entwickeln sich die zunächst schlanken Formen zu intermediären und anschliessend zu gedrungenen trypomastigoten Formen (short-stumpy) weiter. Diese sind nicht mehr teilungsaktiv, aber infektiös für Tsetse-Fliegen.
Die Fliegen nehmen die Trypanosomen mit dem Blutmahl auf. Anschliessend differenzieren sich die short-stumpy-Formen im Mitteldarm der Fliege zu langgestreckten „prozyklischen Trypomastigoten“, die sich vermehren. Sie durchdringen die peritrophische Membran und siedeln sich dann im exoperitrophen Raum an. Dort verlängern sie sich und sind teilungsaktiv. Diese so genannten „mesozyklischen Formen“ durchdringen dann die peritrophische Membran vor dem Proventrikel und wandern über das Darmlumen und Ösophagus in die Speicheldrüse. Hier entwickeln sie sich zu epimastigoten Formen. Diese heften sich an die Mikrovilli der Drüsenzellen und teilen sich. Danach erfolgt die Weiterentwicklung zu trypomastigoten metazyklischen Trypanosomen, die einen Oberflächencoat aus Glykoproteinen aufbauen und für den Menschen infektiös werden.

1.3. Verbreitung
Das Vorkommen der Krankheit ist vom Vorhandensein des Vektors abhängig. Tsetse-Fliegen leben in Afrika südlich der Sahara zwischen dem 14. Nördlichen und dem 20. Südlichen Breitengrad. Glossinen der palpalis-Gruppe, die T. brucei gambiense übertragen, sind an feuchte Biotope wie die Regenwälder Westafrikas gebunden. Glossinen der morsitans-Gruppe übertragen T. brucei rhodesiense und bevorzugen Savannenbiotope. Interessant ist die Tatsache, dass weite Gebiete, in denen die Tsetse-Fliege vorkommt, dennoch frei von Schlafkrankheit sind. Mit ein Grund dafür ist sicher die Tatsache, dass die Prävalenz des Erregers in Tsetse-Fliegen äusserst gering ist. Durchschnittlich weisen nur etwa 0,1% der Fliegen eine Speicheldrüseninfektion auf.

Vorkommen der afrikanischen Schlafkrankheit

Vorkommen der Tsetse-Fliege

Besonderheiten des Vektors:
Die Fliegen der Gattung Glossina legen keine Eier ab. Vielmehr werden Larven im 3. Stadium geboren. Diese graben sich in die Erde ein, die feucht, locker und krümelig sein muss. In der Erde verpuppen sich die Larven und nach etwa 30 Tagen gräbt sich die fertige Imago aus dem Boden. Ein Weibchen kann maximal 8 Larven produzieren.
Da die Vermehrungsrate der Glossinen nicht besonders hoch ist, kann mit präparierten Fallen ihre Population erheblich vermindert werden.

2.      Diagnostik
top

Die beiden humanpathogenen Unterarten und die dritte Unterart Trypanosoma brucei brucei, der Erreger der Nagana, sind morphologisch nicht zu unterscheiden. Eine Unterscheidung ist nur möglich, wenn man biologische Kriterien hinzuzieht. Dazu zählen Wirtsspezifität und Empfindlichkeit gegen Humanserum. Eine Differenzierung ist auch durch Isoenzym- und DNA-Analysen möglich.
Die Diagnose einer Trypanosomose erfolgt in der Regel durch den direkten Erregernachweis im Blut, in den Lymphknoten und bei der zerebralen Form im Liquor cerebrospinalis. Trypanosomen befinden sich vor allem während der febrilen Phase im Blut. Da mit geringen Parasitämien zu rechnen ist, sind zum Parasitennachweis Anreicherungsverfahren nötig, wie Hämatokrit-Zentrifugation oder Ionenaustausch-Chromatographie. Der CATT („Card Agglutination Test for Trypanosomes“) ist ein serologischer Test für T.b. gambiense.

Punktion des Rückenmarks zum Nachweis der Trypanosomen, Uganda; Kaminsky, STI

3.      Wirt-Parasitinteraktionen
top

Spezifische Aspekte in der Übersicht:
3.1 Adaptationen an einen komplexen Lebenszyklus mit 2 unterschiedlichen Wirten
3.2 Potente Evasionsmechanismen lassen dem Immunsystem keine Chance
3.3 Prozykline übernehmen die Rolle der VSGs in der Tsetse Fliege
3.4 Blut-Hirn-Schranke und Invasion des Zentralnervensystems

3.1 Adaptationen an einen komplexen Lebenszyklus mit 2 unterschiedlichen Wirten

3.1.1 Die verschiedenen Blutformen im Säugetierwirt
In den aufeinander folgenden Parasitämieschüben treten zwei sehr unterschiedliche Formen, die langgestreckte „slender“ Form und die gedrungene „stumpy“ Form mit Zwischenformen auf. Die sich teilende slender-Form kann sich rasch teilen und garantiert den Anstieg der Parasitämie. Während eines Parasitämieschubes werden die stumpy-Formen zahlreicher. Diese können sich bei einer eventuellen Aufnahme im Darm der Tsetsefliegen weiter entwickeln. Die Blutformen sind mit einer speziellen Glykokalyx umgeben, die sich auch schon bei metazyklischen Formen nachweisen lässt. Dieser „surface coat“ hat eine Dicke von 10-15 nm und besteht bei afrikanischen Trypanosomen aus jeweils einem Typ von Glykoprotein („variant surface glycoprotein“, VSG).

3.1.2 Unterschiedliche Formen im Vektor
Gelangen Blutformen in den Mitteldarm der Tsetsefliege, so wird der VSG Mantel abgestreift und die Zelle transformiert zur Mitteldarmform. Der Stoffwechsel muss total umgestellt werden, insbesondere der Glukosemetabolismus. Der Krebszyklus und die terminale Respiration werden aktiviert und ermöglichen eine bessere Verwertung der Glukose und gewisser Aminosäuren. Etwa 4 Tage nach Infektion umwandern prozyklische Formen das hintere Ende der peritrophen Membran, die das eingedickte Blutmahl umhüllt, und gelangen so in den ektoperitrophen Raum. Beim Proventrikel durchdringen die Trypanosomen die peritrophe Membran und gelangen so in den Vorderdarm. Die Reise führt weiter zur Rüsselspitze und durch den Speichelgang in die paarigen Speicheldrüsen. Diese Phase scheint ein Engpass für die Parasitenentwicklung darzustellen. Tsetse Fliegen, die mit der ersten Blutmahlzeit Trypanosomen aufnehmen, haben je nach Trypanosomenstamm eine ca. 5-20% Chance innerhalb von 3-4 Wochen eine Speicheldrüseninfektion zu entwickeln. Mit jedem weiteren Blutmahl sinkt die Chance, da die peritrophe Membran aushärtet und nicht mehr durchdrungen werden kann.

3.2 Potente Evasionsmechanismen lassen dem Immunsystem keine Chance

3.2.1 Antigenvariation
Die Blutstromformen sind von einer dicken Schicht von Glykoproteinen, so genannten variable surface glycoproteins (VSGs) umgeben. Ein Trypanosom kann sein VSG durch ein neues ersetzen, diesen Vorgang nennt man Antigenvariation. Das Immunsystem des Wirtes produziert Antikörper gegen den vorherrschenden VSG-Typ, welche die Trypanosomen opsonieren, so dass das Immunsystem sie eliminieren kann. Dies führt zu einem Absinken der Parasitämie, ein neuer VSG Typ kann sich ungehindert vermehren. So entsteht ein wellenförmiger Verlauf der Parasitendichte im Blut. Ein Trypanosom hat im Genom ca. 1000 verschiedene VSG Gene, die nacheinander in unterschiedlicher Reihenfolge exprimiert werden. Das VSG Repertoire eines Stammes unterscheidet sich von einem anderen Stamm, sogar im selben geographischen Gebiet. Dies heisst, dass eine riesige Zahl von Antigentypen (VSGs) in Afrika zirkuliert. Das Immunsystem hat keine Chance, mit all diesen neuen Antigenen fertig zu werden, und so ist auch ein Impfstoff auf der Basis von VSG unrealistisch.

Animation Antigenvarianz

3.2.2 Immunsuppression
Infektionen mit Trypanosoma brucei können zu einer Immunsuppression führen, die sowohl B- als auch T-Zellen betrifft. Stoffwechselprodukte der Trypanosomen bewirken wahrscheinlich, dass Makrophagen Substanzen abgeben, welche die Proliferation von T-Zellen unterdrücken. Ausserdem stimulieren Trypanosomen aber auch die Proliferation von B-Zellen. Dies hat verschiedene Effekte. Einerseits kommt es zu einer vermehrten Produktion von Immunglobulinen (IgM, IgG), andererseits zu einer Verarmung antigenreaktiver B-Zellen. Makrophagen produzieren TNF (Tumornekrosefaktor), der eine trypanostatische Wirkung auf Trypanosomen ausübt. Trypanosomen können ihrerseits CD8 Lymphozyten zur Produktion von IFN-gamma anregen. IFN-gamma stimuliert die Proliferation der Trypanosomen und kann so der Wirkung des TNF entgegenwirken.

3.2.3 Rückzug in immunologisch wenig kontrolliertes Gewebe
Wenn die Erreger der afrikanischen Schlafkrankheit des Menschen in das Zentralnervensystem eindringen, markiert dies den Beginn des 2. Krankheitsstadiums. Das Ausweichen der Trypanosomen ins ZNS ist Teil der Evasionsstrategie des Parasiten. Grund dafür ist, dass das ZNS zu den immunologisch wenig reaktiven Geweben des menschlichen Körpers zählt, was viele Ursachen hat. Im Gehirn gibt es nur eine sehr geringe Zirkulation von Lymphozyten, lymphatische Gefässe fehlen. Ein weiteres Kennzeichen des ZNS ist eine niedrige Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen auf Neuronen und Gliazellen, MHC-Klasse-II-Moleküle werden nicht exprimiert. Dendritische Zellen, die T-Zellen aktivieren können, fehlen. Daneben können die meisten Medikamente die Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringen. Dies alles führt dazu, dass die Trypanosomen im ZNS relativ sicher vor dem menschlichen Immunsystem und einer Chemotherapie sind. Die Besiedelung des ZNS ist jedoch keine Einbahnstrasse. Trypanosomen sind in der Lage, aus dem ZNS wieder in den übrigen Körper zu gelangen. Bei Abbruch einer Chemotherapie können sie so ausgehend vom ZNS den Körper eines Patienten wiederbesiedeln.

3.3 Prozykline übernehmen die Rolle der VSGs in der Tsetse Fliege
Wenn Blutstromformen mit einem Blutmahl in den Darm einer Tsetse Fliege gelangen, so verlieren sie innerhalb von 24 Stunden ihren VSG Mantel. Die Trypanosomen transformieren zu Mitteldarmformen, die sich einen Mantel aus Prozyklinen zulegen. Es gibt zwei Formen von GPI (Glycosylphosphatidyl-Inositol) verankerten Prozyklinen: EP und GPEET. EP Prozyklin ist durch eine Wiederholung des Dipeptids Glutaminsäure-Prolin gekennzeichnet, GPEET durch 6 Kopien eines Pentapeptids. Unmittelbar nach der Transformation tragen die Mitteldarmformen beide Typen auf der Oberfläche, dann wird vor allem GPEET exprimiert, nach 7 Tagen aber zurückreguliert, so dass nur noch EP vorhanden ist. Die Prozykline schützen die Mitteldarmformen vor der Verdauung durch proteolytische Enzyme. Slender Blutstromformen werden von diesen Enzymen abgetötet, stumpy Formen aber zur Transformation zu Mitteldarmformen stimuliert. Da das GPEET Prozyklin nur in den ersten Tagen nach der Transformation gebildet wird, vermutet man, dass es eine noch unbekannte Rolle in der Parasit-Wirt Interaktion spielt.

3.4 Blut-Hirn-Schranke und Invasion des Zentralnervensystems
Trypanosomen können das Blutsystem verlassen und in das Zentralnervensystem eindringen. Dies führt zum 2. Stadium der Krankheit, dem so genannten meningo-enzephalytischen Stadium mit verschiedenen neurologischen Symptomen. Dazu müssen die Parasiten die Blut-Hirn-Schranke durchqueren, die durch "tight junctions" der Endothelzellen in den Hirnkapillaren gebildet wird. Wie die Trypanosomen das bewerkstelligen ist unklar, doch wird angenommen, dass im Choroidplexus Trypanosomen durch die Endothelzell-Barriere dringen können, da hier keine "tight junctions" vorhanden sind. Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn vor schädlichen Molekülen, erschwert aber auch die Behandlung einer ZNS Infektion, da die meisten Medikamente nicht passieren können. Niedermolekulare lipophile Moleküle können durch passive Diffusion ins ZNS eindringen, es gibt aber auch Transporter für Glukose, Aminosäuren und bestimmte Makromoleküle. Von den Medikamenten gegen Schlafkrankheit können nur Eflornithin und Melarsoprol ins ZNS eindringen. Dieses Eindringen kann durch Nachweis des Medikaments im Liquor cerebrospinalis gezeigt werden. Die Invasion von Trypanosomen ins Gehirn führt zu Ödemen, Blutungen und Entzündungen mit Infiltration von Lymphozyten und Plasmazellen. Dieses 2. Stadium führt ohne entsprechende Behandlung zum Tod des Patienten.

4.      Infektion und Krankheit
top

Je nach Erreger kommt es zu einem unterschiedlichen Krankheitsverlauf. Man unterscheidet jedoch bei beiden Formen ein erstes (hämolymphatische Phase) und ein zweites Stadium (neurologische oder meningoenzephalitische Phase).

Infektionsverlauf und Krankheitsbild der beiden Formen der afrikanischen Schlafkrankheit, nach Kayser et al.

Stadium, Verlauf und Symptome

T. b. gambiense

T. b. rhodesiense

1. Stadium: Febril-glanduläre oder hämolymphatische Phase:

Trypanosomenschanker:

bei Afrikanern unter 5%
bei Europäern um 20%

um 50%

Beginn der Parasitämie:

2-3 Wochen nach Infektion

1-2 Wochen nach Infektion

Art der Parasitämie:

niedrig, intermittierend

hoch, oft anhaltend

Parasitämie-assoziierte Symptome:

Fieber, Schüttelfrost, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Ödeme, Gewichtsverlust, Jucken, endokrine Probleme, Schwellung der Lymphknoten am Nacken; Störungen der Herzfunktion (v.a. bei T. b. rhodesiense), Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte IgM-Spiegel im Blut

Verlauf:

chronisch (auch akut bei Nichtimmunen

2. Stadium: Neurologische oder Meningoenzephalitische Phase (nach Überwinden der Blut-Hirn-Schranke):

Eindringen der Erreger in das ZNS:

4-6 Monate nach Infektion oder später

oft bereits nach wenigen Wochen

Symptome:

Verwirrungszustände, Koordinationsschwierigkeiten, Sinnesstörungen, Gestörter Schlafzyklus, Abmagerung, epileptiforme Krämpfe, Apathie, Koma. Pleozytose im Liquor, erhöhte Gesamtprotein- und IgM-Spiegel.

Krankheitsdauer beider Stadien:

Monate bis >6 Jahre

selten >3-7 Monate

An der Krankheitsentwicklung sind verschiedene Faktoren beteiligt. Dazu zählen die Freisetzung von Kininen durch immunologische Reaktionen, Anämie, Ablagerung von Immunkomplexen in den Nieren und anderen Organen, Immunsuppression, endokrine Störungen und Schädigungen des ZNS.

Anmerkung: auch eine vertikale Übertragung von der Mutter auf ihr Kind ist möglich: Trypanosomen können die Plazenta durchdringen und den Fötus infizieren. Mögliche Folgen sind Fehlgeburt und perinataler Tod.

Patient mit Schlafkrankheit, Ifakara, Tansania; Geigy, STI

Trypanosomenschanker, Bamako, Mali; Fernex, STI

5.      Epidemiologie
top

Epidemiologische Unterschiede zwischen Trypanosoma brucei gambiense und Trypanosoma brucei rhodesiense, nach Kayser et al.:

Parameter

T. b. gambiense

T. b. rhodesiense

Verbreitung:

West- und Zentralafrika

Ost- und Zentralafrika

Überträger:

Glossina-palpalis-Gruppe: Feuchtbiotope

Glossina-morsitans-Gruppe: Savannenbiotope

Übertragungsorte:

Häufig fokal:

an Flüssen, Seen, Wasserstellen usw.

-

Weniger lokalisiert

in feuchten Waldgebieten

Savannen

Dominierende Zyklen:

Mensch zu Mensch

Wild- und Hauswiederkäuer, andere Wildtiere zu Mensch

Erreger-Reservoire (für bestimmte Stämme)

Schwein, Rind, Schaf, Hund, wenige Antilopenarten

Antilopenarten, Rind, Schaf, Ziege, Warzenschwein, Löwe, Hyäne, Hund u.a.

5.1. Verbreitung
Die beiden Formen der Schlafkrankheit kommen in ca. 200 Foci in 36 Afrikanischen Ländern vor. Die beiden Krankheitsformen überlappen sich (noch) nicht, die Grenze verläuft durch Südost-Sudan, Uganda, Lake Victoria, Ruanda/Burundi, Zambia (s. Verteilungskarte der WHO). Trypanosoma b. rhodesiense ist zur Zeit auf sehr wenige Länder beschränkt: Tanzania (ca. 1000 Fälle/Jahr), Uganda (<1000 Fälle/Jahr), Kenya (50/J), Malawi (100/J), Zambia (wenige), Zimbabwe (wenige). Die Mehrheit der Fälle sind Trypanosoma b.gambiense zuzuschreiben. Rund 30 Länder in Zentral- und Westafrika sind betroffen. Der Schweregrad variiert von einzelnen Fällen bis zu Epidemien, wie sie in der Demokratischen Republik Congo, in Angola und im Südsudan zur Zeit vorkommen. Die meisten Fälle weisen heute DR Congo auf, gefolgt von Angola, Sudan und Uganda. Die Krankheit kommt nur südlich der Sahara vor zwischen den Breitengraden 14°N und 29°S.

5.2. Epidemien
In den letzten hundert Jahren hat es in Afrika drei schwere Epidemien gegeben. Eine zwischen 1896 und 1906, vor allem in Uganda und im Kongobecken mit Hunderttausenden von Toten, eine zweite 1920-1930 in verschiedenen afrikanischen Ländern und eine dritte ab 1970, die bis heute andauert. Diese letzte Epidemie veranschaulicht exemplarisch, was passieren kann wenn Kontrollmassnahmen wegfallen. Während der Vorherrschaft der Kolonialmächtewurde die Schlafkrankheit strengstens kontrolliert. Massnahmen waren Tsetse Kontrolle und aktive Überwachung mit Behandlung aller Infizierten. Dadurch erreichte die Prävalenz einen Stand der einer Ausrottung fast gleichkam (s. Grafik Trypanosomiasis in Central Africa). Mit dem Erreichen der Unabhängigkeit aller Afrikanischen Staaten in den 60er und 70er Jahren flammten in vielen Ländern Bürgerkriege auf und die Kontrollmassnahmen kamen zum Erliegen. Beispiele sind Uganda, Zaire, und Angola. In Angola stieg die Zahl der Schlafkranken von <10 im Jahr 1975 (Rückzug der Portugiesen) auf über 100‘000 in den 90er Jahren. Dies sind Gründe, warum die Schlafkrankheit (Tsetse Fliegen und Erkrankte) dauernd unter Kontrolle gehalten werden muss, auch wenn andere Gesundheitsprobleme wie z.B. HIV/AIDS als vordringlicher erscheinen.

5.3. Übertragung
T. b. gambiense wird vor allem Mensch – Fliege – Mensch übertragen. Die wichtigsten Überträger sind Glossina palpalis, G. p. gambiensis, G. fuscipes fuscipes und G. tachinoides, alle aus der palpalis Gruppe. Für die Übertragung spielen der Ort, die Intensität und Dauer des Kontaktes mit Tsetse Fliegen eine Rolle. Besonders gefährlich sind Orte der täglichen Aktivitäten (Waschen, Wasser holen) oder der Arbeit (fischen, beladen von Booten). Vektorkontrolle ist in Galerienwälder, Mangrovensümpfen und im Urwald sehr schwierig. Die Verbreitung der Fliegen ist vom Typ des Habitats abhängig und kann sich verändern. Die Verschiebung von Menschen trägt vorallem zur Verbreitung der Krankheit bei, da die Fliegen keine grossen Distanzen im Wald zurücklegen.
T. b. rhodesiense ist von Natur aus eine Zoonose, die Übertragung erfolgt normalerweise Wildtier (oder Haustier) – Fliege – Mensch. Die wichtigsten Überträger sind G. morsitans, G. swynnertoni, G. pallidipes und G. fuscipes fuscipes, mit Ausnahme der letzten Art alle aus der morsitans Gruppe. Diese Fliegen saugen vor allem auf Wildtieren oder Haustieren und infizieren Menschen nur, wenn diese in Tsetsegebiet eindringen. Bei Veränderungen der Wild- und Haustierverteilung können sich die Fütterungsgewohnheiten der Fliegen ändern, sodass vermehrt Blutmahlzeiten vom Menschen aufgenommen werden. Das kann zu Epidemien führen.

5.4. Reservoire
Es wird allgemein angenommen, dass der Mensch das wichtigste Reservoir für T. b. gambiense darstellt, obwohl Haustiere (Schwein, Hund, Schaf und Rind) sowie Wildtiere diese Trypanosomen Unterart beherbergen können. Die Bedeutung dieses tierischen Reservoirs ist aber immer noch unklar. Für T. b. rhodesiense ist seit 1958 bekannt, dass Wildtiere wie Buschbock, Wasserbock Träger sein können ohne aber zu erkranken. Selbst Karnivoren wie Löwe oder Hyäne wurden infiziert gefunden, sie infizieren sich aber eher durch das Fressen von infiziertem Fleisch als über Tsetse Fliegen. Haustiere wie Rinder, Ziegen und Schafe sind auch Träger von T. b. rhodesiense und stellen ein Reservoir dar.

5.5. Indikatoren für die Transmissionsrate
Eine endemische Zone ist definiert durch eine konstant bleibende tiefe Patientenzahl. Eine epidemische Situation ist definiert durch einen drastischen Anstieg der Patientenzahl aufgrund einer stärkeren Übertragung oder eines Ausbleibens der Behandlungen. Standardisierte Indikatoren wie Prävalenz und Inzidenz sind nötig, um Aussagen zur Situation der Krankheit machen zu können. Um verlässliche Informationen erhalten zu können braucht es regelmässige Überwachung und gute diagnostische Methoden. Beides ist problematisch: Um verlässliche Prävalenzzahlen erhalten zu können muss ein Grossteil der Bevölkerung erfasst werden, und die Sensitivität und Standardisierung der Nachweismethoden für Trypanosomen lässt zu wünschen übrig.

Brutplatz von Glossina palpalis: Galleriewald am Djoué, Brazzaville Congo; Gaschen, STI

Habitat von Glossina morsitans; Geigy, STI

6.      Kontrollstrategien
top

Expositionsprophylaxe:
Glossinen sind tagaktiv. Durch das Tragen von Kleidung, welche die Haut überwiegend bedeckt, kann man sich vor dem Stich schützen. Ebenfalls wirksam sind Repellentien, die auf unbedeckte Hautpartien aufgetragen werden sollen.

Vektorkontrolle:
Es wird versucht, die Glossinen durch Versprühen von Insektiziden zu dezimieren. Als wirkungsvoll haben sich auch insektizidbehandelte Fliegenfallen herausgestellt, die durch ihre Farbe und ihren Geruch Fliegen anziehen. Die Technik der „sterilen Männchen“ wird sich bei Tsetse Fliegen kaum bewähren.

Chemotherapie:
Wenn die Erkrankung früh diagnostiziert wird,bestehen gute Heilungschancen. Die Therapie hängt vom Stadium der Krankheit ab. Beim 2. Stadium (neurologische Phase) hängt alles davon ab, ein Medikament zu verwenden, das die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, um die Parasiten zu erreichen.

Medikamente für das 1. Stadium:
Suramin für T. b. rhodesiense
Pentamidin für T. b. gambiense
Beide Medikamente sind nicht in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchdringen.

Medikamente für das 2. Stadium:
Melarsoprol: Dieses arsenhaltige Medikament ist ziemlich toxisch. Bis zu 5% der Patienten sterben an einer eventuell durch die Therapie ausgelösten Enzephalopathie.
Eflornithin: Mit diesem neueren Präparat hat man bessere Erfahrungen gemacht. Es hemmt die Ornithindecarboxylase, wirkt aber nur bei T. brucei gambiense Infektionen. Eflornithin ist sehr teuer (eine Behandlung kostet etwa SFr. 1000). Um Resistenzen gegen Melarsoprol begegenen zu können, werden Kombinationen von Melarsoprol und Nifurtimox eingesetzt. Neue wirksame, untoxische und billige Medikamente werden dringend gebraucht.

Feldstudien zur Schlafkrankheit und ihrer Vektoren: R. Geigy in Ifakara, Tansania, 1963; Ernst, STI

Fallen für Tsetse-Fliegen; Kaminsky, STI

7. Kernsätze
top

  1. Die afrikanische Trypanosomose des Menschen wird durch zwei Unterarten von Trypanosoma brucei hervorgerufen: Trypanosoma brucei gambiense verursacht eine eher chronische Verlaufsform, während eine Infektion mit Trypanosoma brucei rhodesiense einen eher akuten Charakter hat. Trypanosoma brucei rhodesiense ist eng verwandt mit der dritten Unterart Trypanosoma brucei brucei, dem Erreger der Nagana der Haustiere.
  2. Vektoren sind lebendgebärende Stechfliegen der Gattung Glossina. Jede der beiden humanpathogenen Unterarten wird durch Glossinen einer bestimmten Gruppe übertragen, die sich in ihren ökologischen Ansprüchen unterscheiden.
  3. Die afrikanische Trypanosomose des Menschen ist eine Zoonose. Vor allem bei Trypanosoma brucei rhodesiense gibt es ein bedeutendes Wild- und Haustierreservoir. Der Mensch ist hier eher Nebenwirt, spielt aber bei T. b. gambiense eine wichtige Rolle als Reservoir.
  4. Die beiden Unterarten von Trypanosoma brucei sind extrazelluläre Parasiten, sie vermehren sich im Blut des Menschen, durchdringen in einer späteren Phase der Infektion aber auch die Blut-Hirn-Schranke, was zu den typischen neurologischen Symptomen führt.
  5. Diese Parasiten sind fähig, nach und nach Klone mit verschiedenen Oberflächenantigenen hervorzubringen. Sie sind damit dem Immunsystem mit seiner Antikörperantwort immer um einen Schritt voraus. Ausserdem sind sie in der Lage, das Immunsystem zu unterdrücken.
  6. Man unterscheidet zwei Krankheitsphasen: ein 1. Stadium, das relativ gut mit Medikamenten zu behandeln ist und ein 2. Stadium nach dem Durchdringen der Blut-Hirn-Schranke. Im zweiten Stadium helfen bei T. b. rhodesiense Infektionen nur noch Melarsoprol, das toxisch ist. Gegen die chronische Verlaufsform existiert mit Eflornithin ein zusätzliches Medikament, das aber extrem teuer ist.
  7. Wichtige Kontrollmassnahmen sind die Expositionsprophylaxe sowie vor allem die Vektorkontrolle durch insektizidbehandelte Fliegenfallen.

8.      Ressourcen
top

Lehrbuch “Medizinische Mikrobiologie” (10. Auflage), Kayser et al., Thieme-Verlag,
Trypanosoma (Seiten 500 bis 508)

URLs:
http://www.who.int/tdr/diseases/tryp/default.htm
(Special Programme for Research and Training in Tropical Diseases: African trypanosomiasis)

http://www.who.int/inf-fs/en/fact259.html (fact sheet WHO)

http://www.who.int/emc/diseases/tryp/index.html

http://www.who.int/health-topics/afrtryps.htm

http://www.who.int/emc-documents/surveillance/docs/whocdscsrisr2001.html/African_Trypanosomiasis/A_Trypanosomiasis.htm